Belastungen im Feuerwehreinsatz

Die Vielzahl unserer Einsätze sind „Alltagsgeschäft“. Kleinigkeiten wie brennende Müllcontainer oder Autos, vielleicht der Alarm einer automatischen Brandmeldeanlage (z.B. in Firmen). Die sind schnell abgearbeitet und gelten nicht wirklich als belastend. Doch es gibt andere Einsätze, die sind anstrengend: Für Körper und Seele. Manchmal führt es so weit, da fragen wir uns: Warum machen wir das alles? Und trotzdem packen alle beim nächsten Mal wieder mit an. Helfen ist nicht nur einfach Hobby – es ist vor allem eine Herausforderung. Jedes Mal auf’s Neue.

Einsätze gehen, die Bilder in der Seele bleiben

Bei der Feuerwehr gibt es keine „abgebrühten Hardliner“. Früher galt es als stark, belastende Erfahrungen einfach wegzustecken, darüber nie mehr zu sprechen. Heute sind die Einsatzkräfte schlauer. Wer es nicht schafft, mit den schlimmen Eindrücken umzugehen, kann seelisch schwer krank werden (posttraumatische Belastungsreaktionen). Es gab in den vergangenen Jahren mehrere Fälle in Deutschland, in denen Einsatzkräfte mit dem Erlebten nicht mehr fertig wurden – und nur den Freitod als erlösende Hilfe empfanden.
Im Einsatz müssen die Feuerwehrleute handeln, möglicherweise im Kampf um Menschenleben besonders schnell. Hier bleibt so gut wie keine Zeit zum Nachdenken. Erst zu Hause, nach dem Einsatz, wenn die Ruhe wiederkehrt, beginnt das Grübeln. Auf einmal kommend quälende Gedanken auf: „Irgendjemand wird heute die Nachricht über den Tod eines lieben Menschen bekommen.“ „Ob das Unfallopfer noch etwas mitbekommen hat?“ „Wäre der nur nicht so schnell gefahren.“ „Waren wir schnell genug?“ „Warum hatten die nur keine Rauchmelder, die könnten noch leben!“
Feuerwehrleute müssen über das Erlebte sprechen. In erster Linie kommt es zu einer Verarbeitung durch Gespräche mit den Kameraden. Diese Gespräche sind – für einen Außenstehenden unverständlich – oft mit einer Portion „Galgenhumor“ (ironische Witze) „gewürzt“. Das ist eine Art Schutzfunktion, um die Ereignisse nicht zu persönlich zu nehmen. In den überwiegenden Fällen kannten die Einsatzkräfte das Opfer nicht. Und so fällt es leichter, mit dem Erlebten umzugehen. Wesentlich schwieriger wird die Verarbeitung, wenn Kinder, Jugendliche, oder Bekannte zu den Opfern gehören.
Gespräche im Familien- oder Freundeskreis finden nur wenig statt. Die können auch nicht die Kommunikation mit den Feuerwehrkameraden ersetzen. Denn zum einen sollte nicht jedes grausame Detail eines Unglücks in die Öffentlichkeit dringen, zum anderen fehlt Unbedarften oft das Verständnis über den Gesprächsbedarf. Auf gut Deutsch: Viele wollen das gar nicht hören, um sich selbst nicht zu belasten. Feuerwehrleute fühlen sich in der Folge oft missverstanden.
Deshalb stehen im Kreis Kleve seit einigen Jahren auch Einsatzkräften die Gesprächsmöglichkeit mit Helfern der Notfallseelsorge zur Verfügung. Diese geschulten Fachleute, überwiegend Geistliche, betreuen nicht nur geschockte Opfer und Hinterbliebene. Auch die Helfer können dieses Angebot rund um die Uhr annehmen. Dabei kann die Feuerwehrführung die Hilfe vermitteln, doch auch das einzelne Mitglied kann (ohne das Wissen der Kameraden), die Notfallseelsorger ansprechen (die Kontaktdaten sind bei der Rettungsleitstelle hinterlegt, die Disponenten sind zur Verschwiegenheit verpflichtet). Die Notfallseelsorger nehmen sich vor allem Zeit, den einzelnen Helfern zuzuhören. Nach dem Einsatz, wenn jeder nach Hause will oder muss, ist diese Zeit oft nicht vorhanden…

Erlebnisse, die im Gedächtnis bleiben:

entsetzlich verstümmelte oder verbrannte Menschen

Rückenschild auf derWeste eines Notfallseelsorgers

sterbende Menschen

erfolglose Reanimation von Kindern und Erwachsenen

verzweifelte, weinende Menschen, die einen Menschen, oder das gesamte Hab und Gut verloren haben

Einsätze, bei denen die eigene Gesundheit auf dem Spiel steht

Einsätze, bei denen Bekannte oder Kameraden zu Schaden kommen

Selbstmord

die Tatsache, dass trotz schnellen Einsatzes die Hilfe zu spät kommt

Müde, verschmutzt und mit den Kräften am Ende

In dem Moment, in dem Piepser bei den freiwilligen Feuerwehrleuten auslösen, weiß keiner der Helfer, was ihn erwartet. Eine Kleinigkeit, oder ein Großbrand, ein kurioser Einsatz oder ein tragischer Unfall. Ganz gleich in welcher Situation der Alarm das Feuerwehrmitglied erreicht (Schlaf, Arbeit, Freizeit), er muss binnen weniger Minuten am Feuerwehrhaus sein, die Schutzkleidung anlegen und gemeinsam mit den Kameraden mit den Einsatzfahrzeugen ausrücken. So kann es sein, dass der oder die Einzelne vor sieben Minuten noch im Tiefschlaf im Bett lag und jetzt unter Atemschutz in einem brennenden Gebäude arbeitet…

Vor allem nächtliche Einsätze belasten, besonders dann, wenn schon in den Nächten davor die Hilfe der Feuerwehr gefordert war. Und meist müssen die Einsatzkräfte nach dem nächtlichen Einsatz ganz normal zur Arbeit.
Ein Dankeschön hören Feuerwehrleute übrigens ausgesprochen selten. Oft handelt es sich zudem um „unspektakuläre“ Einsätze, die nicht einmal in der Lokalzeitung erwähnt werden. Gelegentlich hören Feuerwehrleute sogar noch dumme Sprüche, etwa von Autofahrern die sich über einen Umweg ärgern, den sie wegen einer abgesperrten Straße fahren müssen.

Je nach Einsatzart geht es nach Ende der Lösch-, Rettungs-, oder Bergungsarbeiten nach Hause: Verschwitzt, verdreckt, abgekämpft. Zurück aus einer völlig anderen Welt in das geregelte Familien- und Arbeitsleben. Und nach dem Duschen steckt das Feuerwehrmitglied seinen Piepser wieder an den Gürtel, denn nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz…
Übrigens: Auch die Angehörigen und Freunde eines Feuerwehrmitglieds müssen mit der besonderen Aufgabe leben. So werden bei nächtlichen Einsätzen meist auch die Partner-/ innen der Feuerwehrmänner und -frauen durch den Alarm geweckt und so mancher Kino- oder Partybesuch endet ebenfalls mit einem Funkalarm. Die jederzeitige Verfügbarkeit verlangt gelegentlich große Opfer und Verständnis- nicht nur vom Feuerwehrmitglied selbst, sondern gerade von seinem sozialen Umfeld.

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